Am Morgen die gleiche Situation wie bisher an allen Tagen in Dänemark. Das Zelt ist am frühen Morgen von außen und innen nass. Aber die Sonne scheint, jedoch nicht auf unseren Zeltplatz. Die Schatten der hohen Bäume werden in den nächsten Stunden keinen Sonnenstrahl bescheren. Heiner schlägt vor, das leere Zelt in die Sonne zu tragen. Gesagt getan. So schaffen wir es, vor dem nächsten Regenguss das Zelt und alle Packtaschen trocken auf die Fahrräder zu bekommen. Nach 2,5 km Fahrt schützen wir uns unter Bäumen vor einem Platzregen. Bei der Streckenplanung am Vortag hatten wir die von Jürgen bevorzugte Straßenroute 170 oder den Radweg Nummer 55, den sogenannten „Grønlandsvej Tiufkær“ über Horsted und Klattrup, im BaseCamp Planungsprogramm in Erwägung gezogen. An der Straßenkreuzung vor uns verläuft der Radweg in einem dichten Wald und kann möglicherweise einen „überdachten“ Fahrweg bieten. Wir treten die Flucht unter die Bäume an, aber nach mehreren 100 m, aufgrund eines extremen Anstieges bei aufgeweichtem Waldweg und rutschenden Rädern müssen wir wieder aufgeben. Ist das überhaupt der richtige Weg? Gibt es Alternativen? Im kleinen Display des GPSmap 62s verschwindet beim Herauszoomen ein Teil der Ortschaften und die Gesamtübersicht geht verloren. Eine Routenübertragung vom Notebook aus der Software BaseCamp hatte ich nicht durchgeführt, da die Landstraße 170 als schnellere Verbindung geplant war. Eine detailreiche Karte zur Unterstützung und Groborientierung besitzen wir leider nicht und so treten wir wieder den Rückweg an. Die verlassene Straße im Startort Vejle ist schnell gefunden und die Überlandstraße 170 per Navi angesteuert. In zwei langgezogenen Kurven geht es in 4 km von 25 auf 100 Höhenmeter. Dann immer weiter auf der 170, die zum Glück teilweise von einem Radweg begleitet wird. Die Straße ist durch den Wind schnell abgetrocknet und so bleibt uns das Spritzwasser der vorbeirauschenden Fahrzeuge erspart. 5 km vor Kolding wird die Straße zur Autoschnellstraße und wir verlieren an einem sehr großen Kreisverkehr unseren Radweg, da keine Beschilderung zu finden ist. Mit der erwähnten kleinen Übersicht im Navi, finde ich nach einem Kilometer auf der für Fahrräder nicht erlaubten Autostraße eine Alternative, die uns jedoch in einem östlichen Bogen und damit in einem längeren Umweg in die Stadt Kolding führt. Dort nehmen wir am Rathausplatz unser vorbereitetes Mittagsbrot ein und steuern wieder die 170 an. Auf der Strecke weht weiterhin ein kräftiger Süd-Westwind und ab und zu sorgt ein leichter Regenschauer dafür, dass wir ordentlich strampeln müssen. Ab und zu schaut auch mal die Sonne nach uns und trocknet die Regenkleidung. Je näher wir unserem Etappenziel Haderslev kommen, desto mehr verdunkelte sich der Himmel. Das Danhostel mit Campingplatz am Haderslev Fjord war im Navi leicht auszumachen und schnell angesteuert. Der Regenguss holte uns am Zeltplatz doch ein und wir wollten die Schauer vor dem Zeltaufbau abwarten. Beim Abstieg vom Fahrrad traute ich meinen Augen nicht. Ein blinkender Riss im Metall entlang der Schweißnaht am oberen Querrohr meines Rades ist unverkennbar. Genauer betrachtet ist das nicht nur vorne der Fall, sondern ein weiterer Riss ist seitlich auch auszumachen. Die Sattelstütze wackelte und der Riss öffnete sich leicht. Es war nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn bei einer Schussfahrt (so eben noch von der 170 runter in den Ort durchgeführt) der Rahmen unter dem Sattel und mir weggebrochen wäre. Ich rief Jürgen herbei und mir wurden die Knie weich. „Ich befürchte, damit ist die Tour für dich zu Ende“, sagte Jürgen trocken. Es ist nicht zu fassen, 60 km vor der deutschen Grenze und ca. 500 km vor Lübeck stehe ich vor dem Aus. Was tun? Reparieren lassen – Aluminium schweißen ist nur von Fachbetrieben möglich. Jürgen holte bei Ferdi in Königsdorf Rat ein. Er riet von einer Reparatur ab, da möglicherweise die 10-Jahre-Garantie beim Hersteller ROSE verloren geht. Der diskutierte Schadensersatz ist für mich jetzt und hier kein Thema, sondern die Sorge, wie komme ich mit Gepäck und Fahrrad nach Hause und wie kommen die Kameraden weiter. Was schwer wiegt – ein zweites Stück der „Ostseeumrundung“ fehlt mir! Nun, ich muss nach vorne sehen und rufe meine Freunde im 60 km entfernten Flensburg an, wo wir am nächsten Tag übernachten wollen. Sie versprechen, mich am nächsten Tag samt Fahrrad abzuholen. Da ein Teil meiner Familie in einer Woche in der Nähe von Lübeck Urlaub macht, ist der weitere Rücktransport nach Hause auch sicher gestellt. Heiner hat eine Tomatensuppe mit reichlich Nudeln und für jeden zwei kleine gekühlte Bierdosen in der kleinen Küche vorbereitet. Wir sitzen dann noch lange auf unseren Dreibeinhockern und sprechen das Erlebte und verschiedene Lösungsvarianten noch mal durch. Ich schreibe noch etwas am Blog und schlüpfte kurz vor Mitternacht in den Schlafsack. Die Müdigkeit ist so groß, dass ich trotz der Ereignisse schnell tief einschlafe.









