Zunächst vielen Dank an alle Gratulanten aus der fernen Heimat, den vielen lieben Wünschen zu meinem Geburtstag durch Kommentare im Blog, E-Mails oder persönliche Telefonate!
Als erster geduscht, Radlerkleidung angelegt und schon stand der durch Jürgen früh vorbereitete Kaffee auf der Sitzgruppe am Zelt. Es musste früh losgehen. In der Vorbereitung für den heutigen Tag hatten wir 117 km Strecke bis weit über die ersten Schären-Inseln vorgesehen. Nur so konnte der „Sprung“ mit den drei Fähren von unserem Platz am Morgen bei Salo nach Lomanauvo Oy, einem Campingplatz unmittelbar am Fährhafen, auf die größte Insel Åland (gesprochen Öland) zeitlich günstig gelingen. Die Ostsee entstand vor mehr als 12.000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit nach Abschmelzen der riesigen Gletschermassen, die bis tief ins Land ihre Spuren hinterlassen haben und uns die Fahrt nicht erleichtern. Um Punkt 9:00 Uhr saßen wir auf dem Sattel. Eine Schotterstraße führte von der Halbinsel runter auf die bekannte Landstraße Nr. 110 und los ging es im frischen Fahrtwind gegen Westen. „Das schönste Geburtstagsgeschenk wäre jetzt wohl eine hügelfreie Straße Nr. 110 bis zum 50 km entfernten Ort Kaarina“ ruft Jürgen mir zu. Es kam anders. Früh los, weil wenig Wind zu erwarten ist und keine zu heiße Sonne, sowie die erhoffte flache Wegstrecke. Das stimmte nur für die ersten 6 km. Dann kam die erste Steigung. Es folgen insgesamt 41 Berg- und Talfahrten (kleine nicht mitgerechnet). Mit dem Navi konnte ich am Abend nachvollziehen, dass wir häufig Steigungen ausgehend von 32 m Höhe auf 80 m auf einer Strecke von 2,5 km Straßenkilometer hatten. Und das blieb so. Wie lange wusste vorher keiner so genau. Es gibt Radler, die sich freuen, wenn es bergauf geht, da es dann ja wieder in einer Schussfahrt hinab gehen muss. Ich gehöre nicht dazu. Bei diesen anstrengenden und langen Touren geht mir so manches durch den Kopf. Auf dem Sattel kann man den hochkommenden Gedanken und Gefühlen nachgehen. Nicht nur, wie halte ich Anschluss an meine Mitradler? Habe ich den Straßenverkehr rings herum konzentriert im Auge? Bei Schussfahrten erreichte ich eine Geschwindigkeit von über 35 km/h – mit Packtaschen von insgesamt 30 kg. Die Straßenverhältnisse sind meist nicht gut. Der Straßenrand der 110 ist oft rissig und mit Schlaglöchern bestückt. Also höchste Konzentration. Es geht also um Wahrnehmung des Körpers, der Umgebung und der Technik des Rades. Am besten ist natürlich die Regelmäßigkeit bei Trittgeschwindigkeit und Kraftaufwand in einer angepassten Fahrgeschwindigkeit, die dann in angemessener Zeit ans Ziel führt. Daher halte ich am liebsten immer eine Trittfrequenz von 60 Umdrehungen in der Minute ein. Der nötige Pedaldruck wird natürlich durch die Gangschaltung zusätzlich gesteuert. Bei mir ist das keine Kettenschaltung sondern eine Nabenschaltung der Marke Rohloff. Ich entwickle für mich eine geeignete Fahrstrategie, die vielleicht Profis belächeln. Mit offensiver Geschwindigkeit den Berg angehen, Trittfrequenz und Kraftaufwand durch eine angepasste Schaltstufe regulieren. Bei der Rohloff mit 14 Stufen ist eine sehr harmonische Anpassung ohne Hakeleien wie bei einem Zahnradwechsel der Kette möglich. Egal welche Schaltung, Kraft und Ausdauer notwendig sind! In der Steigung, beim Herunterschalten auf Stufe 5 angekommen, wird die momentane Kondition spürbar. Ich trete und ziehe (mit Klickpedalen) regelmäßig weiter mit 60 Umdrehungen in der Minute. Konzentration auf die Muskelleistung und Atmung sind mir dabei wichtig. Hoher Kraftaufwand kann zum Hecheln oder gar Anhalten der Atmung führen. Mein Trainer Michael, der mich seit 2 Jahren im Fitnessstudio „inform“ - Gesundheitszentrum intensiv betreut, sagt, bei lang andauerndem Kraftaufwand dann „das Atmen nicht vergessen“. Daran denke ich. Konzentration auf Atmung – kurz tief einatmen – lange pustend ausatmen. So wird die verbrauchte kohlendioxidhaltige Luft vollständig ausgepustet und der frische Sauerstoff in die Lunge gesogen. Die Muskeln müssen unbedingt mit möglichst viel Sauerstoff versorgt werden. Rhythmus beim Atmen und Treten sorgt für Stabilität und Kraft. Die Höhe ist bezwungen. Die Abfahrt folgt und die Geschwindigkeit lässt aufatmen, aber die Konzentration darf nicht abnehmen. Im Gegenteil, Asphalt und Verkehr sind tückisch. Der „Berg“ vor mir beugt sich langsam vor meiner Geschwindigkeit und wird kleiner, wie ein Riese, der von weitem sehr groß aussah. ¾ der Strecke des Anstieges werden leicht geschafft. Der Rest wird durch die Fahrstrategie bewältigt. Am Rande der Stadt Kaarina haben wir in einem chinesischen Restaurant sehr lecker (und viel) zu Mittag gegessen. Wir fragten den Inhaber, ob er wisse, wie die nun kommende Landstraße 180 beschaffen sei. Er meinte, die gesamte Strecke wäre „flat“ (flach)! Nach wenigen Kilometern wussten wir, dass er diese dann folgende Strecke der letzten 67 km noch nie gefahren war. Die Steigungen waren nicht so hoch – aber das Auf und Ab kostet enorme Kraft, bis wir den einzigen Campingplatz weit und breit in Lomanauvo Oy erreichen! Aber das wir bei diesen Anstrengungen insgesamt noch 117 km gefahren sind, war nicht nur neuer Streckenrekord, sondern lässt uns auch mit Stolz auf diesen Tag zurück sehen. Der Zeltplatz liegt in einem Kiefernwald ohne Wiese und wir schlagen die Zelte zwischen den Bäumen unweit des Ufers auf. Dort bereitete Jürgen noch auf die Schnelle ein Nudelsüppchen aus Brühwürfeln zu. Zusätzliche Brote stärken uns für den nächsten Tag. Ich stellte den Wecker auf 4:00 Uhr, da wir die Fähre um 5:30 Uhr rüber auf die Insel Korpo erreichen wollen. Hierzu müssen wir zunächst noch eine kurze Fährfahrt über einen kleinen Fjord machen und dann noch rund 15 km bis zur Fähre in Gotby radeln.









