Wer hätte das gedacht, dass wir unsere nasse Fahrradkleidung noch trocken bekommen. Aber nach der Fahrt durch den kräftigen Regen gestern, hatten wir eine Möglichkeit gefunden Wäscheleinen zu spannen und alles aufzuhängen. Auch heute Morgen hängen wir alles noch einmal in die Sonne. Aber zusätzlich hilft ein kräftiger Wind, der uns im Laufe des Tages noch arg zu schaffen machen wird. Aber wir lassen es zunächst gemütlich angehen heute Morgen, da wir seit gestern wissen, dass wir Kerstin und Hans in der Stadt Kramfors, einem unserer nächsten Ziele, besuchen werden.
Erklärung: Die beiden und ihr Sohn Eric hatten bei uns Quartier beim Taizé Jugendtreffen zum Jahreswechsel 1984/85. Lange Zeit haben wir immer noch Kontakt gehalten, der in letzter Zeit etwas eingeschlummert ist. Zuletzt haben wir uns vor 18 Jahren gesehen, als ich mit Simeon, Stefan und Daniel von hier unseren Start- und Zielort hatte, um zum Nordkap zu radeln. Hans ist evangelischer Pastor und hat zusammen mit Kerstin angeboten, uns ab Sonntag in seinem Haus einzuquartieren.
Wäsche trocken, gut gefrühstückt und alles wieder auf die Lasträder gepackt, machen wir uns erneut auf die Suche nach Alternativrouten zur E4. Für heute war eine Strecke von ca. 65 km geplant, am Ende des Tages wurden es aber dann doch über 80 km, da der Campingplatz alleine schon 10 km hinter Örnsköldsvik lag. Wie gewohnt sind wir schon nach wenigen Kilometern auf Arbeitstemperatur. Uns bläst eine steife Brise entgegen und wir fahren dicht hintereinander, damit wir den Windschatten des jeweils Vorausfahrenden nutzen können, der bis zu 20-25 % Kraftersparnis mit sich bringt. Für diesen Vorteil muss man sich allerdings sehr konzentrieren und den Vordermann gut im Auge behalten. Je dichter man beim Vordermann bleibt, desto effektiver ist die Einsparung. Dies funktioniert praktisch nur dann, wenn es ebene Strecken gibt und wenn wir einen festen und guten Straßenbelag haben. Heute Morgen geht es erst einmal im weitesten Sinne entlang der Küste. Schwierig den Cykelspåret zu finden und dann auf einmal auf die E4 verweist. Nach einigen Kilometern auf der E4 zeigt das Navi einen parallelen Weg, den wir ansteuern. Hier fahren wir ca. 4 Kilometer auf einem ruhigen Waldweg, als die Küste der Ostsee durchschimmert. Wir lassen es uns nicht nehmen, hier eine kurze Rast zu machen. Die kräftigen Böen aus Südost, die uns das Fahren so schwierig machen, setzen auch der eher ruhigen Ostsee zu. Nachdem wir diesem Schauspiel eine Weile zugesehen haben, schwingen wir uns wieder auf unsere Fortbewegungsmittel. Aber nach einem weiteren Kilometer geht es auf einmal nicht mehr weiter. Wir stehen mal wieder vor einem Gatter an der E4. Nur diesmal außerhalb der Umzäunung. Nun ist das Öffnen des Gatters für Heiner ja nun kein Problem (s. Bericht vom 01.07.2013). Aber diese verdammte Mittenabsperrung zwischen den beiden Fahrtrichtungen lässt leider nicht zu, auf die andere Seite zu wechseln, auf die wir weiter Richtung Süden fahren müssten. Also alles wieder zurück (juchhu, diesmal mit Rückenwind), Gatter schließen, Seitenstraße zurück, kurzer Blick noch einmal auf die brausende Küste und dann wieder die Einfahrt auf die E4. Einige dicke LKWs lassen wir noch passieren und dann strampeln und rollen wir mit voller Konzentration auf manchmal nur 30 cm Seitenstreifen neben der Rattermarke. Nach ca. 9 km E4 können wir in dem Ort Salüböle rechts auf eine Nebenstraße ausweichen. Sofort geht die Kletterei los, die in der Spitze nahezu auf ca. 150 m geht mit ständigen Höhenwechseln, aber entlang einsamen und naturverbundenen Wegen. Auch wechseln asphaltierte mit geschotterten Straßen, zum Glück heute steinig aber trocken. Auch wieder viele Gelegenheiten in den angrenzenden Waldlichtungen nach Elchen Ausschau zu halten, die sich aber wahrscheinlich lieber windgeschützt im Dickicht aufhalten. Dafür gibt es bei Verschnaufpausen aber kleinere Tierlein zu beobachten, die sich an farbenfrohen Kleeblüten laben. Leise dahinfließende oder auch wild rauschende Bergflüsse bringen Abwechslung in die anstrengende Strampelei. Wir entdecken einige Gusstafeln, die wir als Gemarkungsgrenzkennzeichnung interpretieren, die älteste ist von 1769. Keine Fritten-, Burger-, keine Dönerbude unterwegs, da hilft nur der Frühstücksproviant ergänzt durch Bananen, süße Schokoplätzchen und was sich mittlerweile als Notproviant etabliert hat, „SNICKERS“ (504,0 kcal / 2110,2 kJ)! Eine solche Rast machen wir an einer Unterstellhütte neben einem rauschenden Bergbach. Nachdem wir eine weitere Anhöhe erklommen haben, erreichen wir den Ort Gideå bruk mit einer schönen Wohnanlage aus dem Jahre 1815, einem kleinen Stausee und einem angeschlossenen Wasserkraftwerk. Obwohl es zwischendurch auch immer mal wieder Anstiege gibt, fahren wir nun tendenziell bergab auf Örnsköldsvik zu. Am Stadtrand in einem Supermarkt werden unsere Vorräte aufgefrischt. Doch anschließend finden wir trotz Navi nicht den anvisierten Campingplatz. Aber erst nach 3 vergeblichen Rückfragen kommt ein „Nordic Walkendes“ Ehepaar, die meinten, wir sollten ein Stückchen hinter ihnen herfahren. Währenddessen fragten sie uns natürlich aus, woher wir kämen und was wir denn so vorhätten. Aber sie beschreiben uns nachvollziehbar den Weg, der allerdings 10 km außerhalb der Stadt lag. Die 10 km wären ja ein Klacks, wenn diese Stadt nicht aus lauter Hügeln bestehen würde. Immerhin sehen wir auf einer Anhöhe auf die Skisprunganlage dieses Wintersportortes. Den Campingplatz finden wir dann auch, er liegt schön an einem großen Binnensee. Beim Einchecken frage ich rhetorisch, ob dieser Platz mit einem so guten Service, denn auch freies WiFi-Internet hätte. Die Antwort, man hätte überhaupt keinen Hotspot. Als wir später in der eher spärlichen Küche sitzen, entdecken wir an der Decke einen blinkenden WLAN-Router! Service auf Schwedisch heißt, „hammer nit“ oder kostet richtig Knete. Obwohl, seit wir unsere Campingcard für ca. 18 € haben, werden wir nicht mehr nach der Anzahl der Zelte gefragt. Ich sage immer nur, wir wären 3 Personen und würden gerne eine Nacht im Zelt übernachten. So bezahlen wir auch auf komfortablen Plätzen immer nur bis zu 19 € für alles. In Finnland war es manchmal fast doppelt so teuer. Ein gegrilltes Hähnchen hatten wir uns im Supermarkt in Örnsköldsvik zu einem erschwinglichen Preis gekauft, fettverlustfrei in Plastiktüten verpackt und in der Küche auf dem Zeltplatz im Backofen nochmal erhitzt. Dazu gibt es von Heiner geschnitzte Salzkartoffeln (aus einem mir nicht erschließenden Grund benutzt er das eigens mitgenommene Kartoffelschälmesser nicht). Gibt es Kartoffeln schließt sich jeweils eine Diskussion an, warum es nicht Pellkartoffeln geben kann. Anscheinend essen meine beiden Mitradler liebend gerne mit den Fingern. Nur das Wasser und Bier muss in Kristallglas serviert werden. Ich habe heute darauf bestanden, den Tomatensalat selber zuzubereiten. Wie mein Freund Ferdi es mich gelehrt hat, mache ich ihn mit leckerem Mozzarella und Balsamicosirup, fein abgeschmeckt mit Olivenöl und schönen Trockengewürzen aus den 3 Mehrfachspendern (mit ca. 16 verschiedenen Gewürzen). Dem Folgebericht vom 04.07.2013 kann entnommen werden, dass es unmittelbar Folgen hat. Gut gesättigt ziehen wir uns in die Zelte zurück und träumen von flacheren Etappen, die es zulassen, die Umgebung mit ruhigerem Atem zu genießen.


















