Wer früh auf einem überfüllten Campingplatz aufsteht, hat den Waschraum für sich alleine. Von dort zum Frühstück ins Haus gegenüber. Außerhalb der Küche sind überdachte Sitzgruppen installiert. Die Sonne scheint immer wieder zwischen den Wolken durch. Die Zelte konnten trotz Regen gestern Abend am Morgen trocken abgebaut werden. Wir haben noch einige Zeit gebraucht, um die kurze, kostenlose WiFi-Zeit zum Übersenden von Blogs zu nutzen. Uns bläst es kalt und heftig entgegen, als wir uns auf die Drahtesel schwingen. Wir fahren eine kurze Strecke, die wir gestern in umgekehrter Richtung zum Einkaufen zurückgelegt hatten. Da wir nach Verlassen des Campingplatzes erst eine Flussmündung in nordwestlicher Richtung bis zu einer Brücke umkurven mussten, hatten wir die Probleme mit ständigem Gegenwind. Nun aber geht es nach Süden. Wir durchfahren Industriegebiete, die hier im südlichen Teil Schwedens küstennah immer häufiger anzutreffen sind. Die Tour geht dann über Landstraßen 2-4 Kilometer von Norden aus gesehen. Neben der „E4“ folgen wir der Landstraße 583 in Richtung Iggesund und Njutangersvägen um den großen Bogen, den die Cykelroute hier in den Westen nimmt, zu vermeiden. Bei Berghem überqueren wir die E4 um dann der Cykelroute, westlich der Schnellstraße, zu folgen. Wir haben mehrfach über die „E4“ geschrieben. Sie ist eine wichtige Süd-Nord-Verbindung für den Kraftverkehr in Schweden und für Radfahrer nach den letzten Ausbauten ungeeignet. Sie trennt aber auch die Landschaft. Wenn man östlich der „E4“ fährt kommt man in die Küstenregion, westlich in die Berge. Das gilt aber nur bis zur Stadt Gävle, die wir erst morgen erreichen, da dort die „E4“ ins Land Richtung Stockholm strebt. Bisher bot das Landesinnere (zwischen 20 und 50 km von der Küste) immer Überraschungen. Das eine ist die Landschaft. Ich habe den Eindruck, eine Natur vorzufinden, die der Mensch kaum gestaltet hat. Sie bietet Abwechslung zwischen Mooren, kleinen und großen Seen, Wälder, die mit wechselhaftem Baumbestand wie Kiefern, Tannen, Birken und Eschen, die auf Gegebenheiten der Biotope natürlich eingestellt sind. Als zweites, die Wegstrecke zwischen Asphaltbelag, Schotter sowie Höhen bis zu 300 m und Abfahrten (in Berg- und Talbahn) auf bis zu 60 m. Immer kommt bei der Streckenwahl die Frage von Jürgen „Waschbrett oder Asphalt?“. Keine uns zur Verfügung stehende Karte oder mein GPS kann vorab diese Frage beantworten. Und so ist es immer wieder spannend. Sehen wir Wild – oder gar einen Elch? Unzählige breite Flüsse oder sprudelnde Bäche kreuzen den Weg und speisen unzählige Seen. Desto tiefer wir nach Süden kommen, je merklicher wird die Landschaft „weicher“. Auch das ist die „Tour Überraschung“. Ich beobachte das an jedem neuen Tag auf dem Sattel. Im Norden überwiegt die Birke als Laubbaum. Jetzt sehen wir schon Buchen und Linden. Auch die Jahreszeit verändert die Natur. In Massen – wirklich in Massen – sehen wir am Rand (überall auf dem Weg um die Ostsee) Felder mit Maiglöckchen. Die Blätter werden gelblich. Bei Pausen am Waldrand pflückte ich Waldbeeren. Als wir im Mai in Polen den Boden bedeckt mit Waldbeeren sahen, waren sie noch im Blütenansatz. Nicht nur der Weg ist immer eine neue Herausforderung, sondern auch das Ziel – unser Übernachtungsplatz – ist eine Überraschung. Wie ist die Küche des Platzes? Können wir Abendessen auf einem Herd zubereiten oder müssen wir den Kocher in Gang setzen? Diesmal hatten wir eine sehr positiv Überraschung. Jürgen kam mit einer jungen Frau aus der Anmeldung die perfekt Deutsch sprach und uns sehr freundlich auf dem Platz einwies. Die Platzbesitzer sind Heike und Martin, die aus Deutschland nach Schweden übergesiedelt sind und hier ihr neues Glück suchen. Es gab schwedische Vorfahren. Der Campingplatz liegt in der Stadt Ljusne am Fluss Ljusnan der einen Kilometer weiter in die Ostsee mündet. 200 m vor dem Campingplatz wird er aufgestaut. Beschreibungen erspare ich mir hier, da die Fotos auch vom nächsten Tag vieles über den Ort berichten. Nun zum Abendessen. Um die Speisenabwechslung auszuweiten, nimmt Jürgen heute mal Eierravioli aus der Dose verfeinert mit Champignons, dazu gekochte Würstchen einmal in feiner und in grober Machart auf den Speiseplan. Aber auch wenn Heiner nicht auf seine Tomaten verzichten konnte, gab es noch eine Gemüsepfanne (gefrorener Beutel) mit den leckersten Vitaminen, die wir bisher aufgenommen haben. Abgerundet durch ein kühles Bier. Gekühltes Bier gibt es in Schweden nicht im Supermarkt zu kaufen! Hierzu holen wir uns Latbier (2,8% Alkoholgehalt, kostet ca. die Hälfte von Normalbier!) und kühlen z.B. mit dem gefrorenen Gemüse und an diesem Abend, mit einer kleinen Schale Schokoladeneis. Der Tag hat müde gemacht und es ist schon spät geworden, als ich dann mit Blick auf den Fluss in das Zelt kroch.











