Mittwoch, der 15.05.2013 – Ankunft in Kaliningrad (Uhr eine Stunde vorgestellt)

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6:00 Uhr: aufstehen, 8:30 Uhr: „Abmarsch“. Nachdem mir Jürgen zu wenig Respekt vor den reißenden Hunden vorgeworfen hatte - immerhin kann ich aber auf 25 Jahre Erfahrung mit wilden Hunden auf dem Rheindamm verweisen, während Herr Direktor allenfalls beim „chauffiert werden“ zur Arbeit mal einem wilden Hund hinter Panzerglas begegnet sein kann – machte ich die Vorschläge, unsere Dreibeinhocker oben auf zu schnallen und dicht neben Jürgen zu fahren. Diese Vorschläge wurden als zu wirkungslos abgelehnt und Jürgen bastelte sich lieber eine Wasserpistole aus einer Wasserflasche als Abwehrwaffe. Nachdem ich allerdings vom Tierschutzverein eine sanfte Rüge bekommen hatte, unterbreitete ich dem „Chef“ während der Fahrt nunmehr den Vorschlag, die beißende Meute mit „Leckerli“ (würde Elke sagen) hier mit Würstchen abzulenken. Spontan hielt er auch beim nächsten Lidl an; ich kaufte eine große Packung und positionierte einen Teil griffbereit in der Lenkertasche. Wir fuhren sodann mit etwas Rückenwind durch Alleen mit altem Baumbestand die kaum befahrene 503 entlang. Das Grün in den Bäumen ist in den letzten Tagen deutlich dichter und leuchtender geworden. Als ich dann das erste Mal Maikäfer sichtete, so vor mich hin vereint mit den Käfern das alte Lied summte: „Maikäfer flieg, der Jürgen ist im Krieg….(wie geht´s weiter? Wolfgang) und weitere Störche in ihren Nestern entdeckte, stehen wir potz Blitz um 9:45 Uhr an der russischen Grenze. Wir passieren erst die polnische Wacht durch Zeigen unseres Passes, dann die russische, stehen dann in einer langen Autoschlange vor einer weiteren russischen Absperrung und vertreten uns die Zeit mit einer Radreisenden aus Munster (Lüneburger Heide). Als ich ihr erzählte, dass ich dort vor 40 Jahren meinen Wehrdienst abgeleistet habe, meinte sie, dass ich dann aber Glück gehabt hätte. Heutzutage müsse man in der Zeitung lesen, dass mal wieder ein Soldat vor den inzwischen Quartier bezogenen Wölfen auf einen Baum habe klettern müssen. Die Politiker seien aber einhellig in Munster und Umgebung der Auffassung, dass, sollte einmal einer - und sei es auch nur ein Schaf - ins Gras beißen müssen, der Schadenersatz (Beerdigungskosten usw.) nicht aus Steuermitteln sondern eindeutig aus der Kasse des Tierschutzvereins zu zahlen sei…! Nach einer dreiviertel Stunde durften wir dann erneut unsere Pässe zeigen. Während die Polen, die ja bekanntermaßen in die EU desertiert sind, sehr streng kontrolliert wurden, hat man unser Gepäck mit den ganzen Doping- und Nahrungsergänzungsmitteln in Ruhe gelassen. Allerdings fiel einer Deutsch sprechenden Grenzbeamtin auf, dass das Visum der Dame auf eine viel kürzere Zeit lautete, als das Visum unserer Pässe. Als wir eidesstattlich versicherten, dass wir die Dame in der russischen Föderation weder vorzeitig verkuppeln oder verkaufen wollten und sie uns auch eher zufällig zugelaufen sei, ließ man uns endlich ins gelobte Land einreisen. Dann ging es nach kurzem Holperweg eine breite, gut asphaltierte Straße weiter gen Kaliningrad; ich mit meiner Geschwindigkeit - wie oft - am Limit, Jürgen aber noch schneller und ca. 50 m vorausfahrend. In einem Vorort deckten wir uns mit Rubel und einer Stadtkarte ein und es gelang uns sogar mit vereinten Kräften das vorgebuchte „Hotel“ auf der Karte zu finden bzw. die entsprechende Straße und das war nicht einfach! Der Verkehr wurde immer dichter, lauter und anstrengender. Jürgen führte uns aber zielsicher mit der Stadtkarte in das betreffende Stadtgebiet. Dabei fielen mir Nummernschilder, die den Zusatz „Königsberg“ hatten auf. Noch am Hafen vorbei und wir hatten es beinahe bei Einbiegen in eine Seitenstraße geschafft, dachten wir: Denn die so gut auf der Karte erkennbare Seitenstraße war ein Schotterweg und sehr verschlungen. Ein junger Mann zeigt uns den weiteren Weg und warnte auch noch vor „dogs“. Aber der lang erwartete wilde Hund hatte wohl schon den ganzen Tag die in ihn gesetzte Erwartung zu erfüllen versucht. Jedenfalls als ich die Leckerli in der Hand hatte, war er schon weit abgeschlagen. Dann ging es noch über eine vollkommen ungesicherte Eisenbahnstrecke und wir fanden zwar den Straßennamen aber in dem Gewirr von Häusern und Ecken nicht 2 b! Eine Dame fragten wir vergeblich auf Englisch nach der betreffenden Hausnummer bis sie uns nach einer Weile höfliche fragte: Sprechen sie auch Deutsch? Sie jedenfalls sprach perfekt Deutsch und war in der Stadt u.a. für deutsche Stadtführungen zuständig. Kurz vor dem Ziel begegneten wir dann doch noch einem sehr aggressiven Schäferhund - hinter einem Gartenzaun. Dem konnte ich jetzt endlich einige Leckerli zuwerfen und Jürgen traute sich dann auch vorbei. (Am nächsten Tag hat uns nur noch der Nachbarhund angebellt, besagter Schäferhund lief uns nur treu hinterher ohne einen Mucks von sich zu geben, die Würstchen waren aber leider alle!) Im Hotel im Stil eines großen Wohnhauses wurden wir von der Eigentümerin und dem Sohn sehr freundlich empfangen. Die Wirtin bot uns auch gleich an, unsere Wäsche zu waschen; der Sohn brachte aus seinem Vorrat vier Flaschen Bier - da fühlten wir uns gleich wie zu Hause - und kochten aus den übrig gebliebenen Würstchen eine Suppe. Zum Schluss als Ausdruck unserer Stimmung und als Dank für die Geduld an die User möchte ich noch den seligen Joseph von Eichendorff zu Wort kommen lassen: „Es war, als hätt‘ der Himmel die Erde still geküsst, dass sie im Blütenschimmer von ihm träumen müsst‘. Die Luft ging durch die Felder, die Ähren wogten sacht, es rauschten leis die Wälder, so sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus“.
„Dat Gedicht is e‘so joot“, meint Jürgen: „dat hät och vun mir sin künne“. Gute Nacht, euer Heiner!

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