Mit ca. 20 minütiger Verspätung landet die Propellermaschine aus Riga kommend, wo Karl-Josef zwischenlanden musste. Erst kommt das Fahrrad und ich mache mich an das Auspacken, des mit Luftbläschenfolie umhüllten Edelstücks. Schon kommt eine Kontrolleurin und fragt nach dem Gepäckbeleg. Ich sage ihr freundlich, dass mein Freund gleich komme und sie gibt sich zufrieden. Als Karl- Josef dann kommt, ist er erst einmal ungläubig, als ich ihm die freudige Nachricht übermittle, dass er während er in der Luft war Opa geworden ist. So bestelle ich ihm die Grüße seiner Frau Ellen und überrasche ihn mit dem Namen seiner Enkelin “Wiebke“! Der kleinen Wiebke und den Eltern wünschen wir über unseren Blog alles, alles Gute und Gottes Segen! Gemeinsam packen wir weiter das Fahrrad aus, stellen den Lenker wieder gerade und schrauben die Pedale nach außen. Eine aufmerksame Dame kommt mit einem großen Plastiksack und stopft das ganze Verpackungsmaterial rein. Noch Luft in die Reifen (soll man beim Transport im Flugzeug immer etwas ablassen), Taschen dran und dann schieben wir nach draußen, wo Heiner auf die anderen Räder aufgepasst hat. Nun auch die Gratulation an den frisch gebackenen Opa von Heiner. Auf geht es nun über die schön ausgeleuchtete Autobahn. Da aber anscheinend kein weiteres Flugzeug bis zum Morgen kommt, geht das Licht nach einigen Kilometer Fahrstrecke dann aus. Nun kommt die neu installierte Beleuchtung des Fahrrads zur Anwendung (bisher habe ich darauf ja immer verzichtet), strahlend helles LED Licht mit Leuchtweitenregulierung je nach Geschwindigkeit (Protz? nein mein ingenieurmäßiger Trieb zur Perfektion, habe ich mir von meinen Mitradlern absegnen lassen)! Es läuft wirklich gut, bis wir eine Abfahrt von der Autobahn nehmen und leider wie auf der Suche zum Flughafen landen wir wieder in der Wildnis! Aber jetzt ist ja alles anders. Karl-Josef ist wieder bei uns und, na was denn, sein Garmin-Navigation! So fahren wir an einem einsamen Bauernhof vorbei, über eine Gleisanlage und endlich wieder auf eine Straße, die Heiner und ich am Vortag auf der Suche der Flughafeneinfahrt vergeblich in Gegenrichtung befahren hatten. Mit der Stirnlampe auf der Stirn um die Straßenkarte mit dem Fahrradnavi abzugleichen finden wir den richtigen Weg. Als wir eine Bundesstraße erreichen, läuft alles wie geschmiert und unsere Räder laufen auf Hochtouren. Um uns herum stockfinstere Nacht (zwischen 1:00 und 3:00 Uhr Nachts) radeln drei “Geisterfahrer“ über einsame Straßen in Richtung “Kurische Nehrung“! Oder um es mit Theodor Storms Schimmelreiter zu sagen: wer reitet so spät durch Nacht und Win(d)en, es sind drei Ostseeradler ich glaub die spinnen. Immer wieder fahren wir auf Autobahn oder Schnellstraßen, die natürlich gut befahrbar sind.
Nur in Zelenogradsk (Canz) müssen wir nochmal eine Korrektur vornehmen, da wir die A191 aus Versehen verlassen haben und in die Stadt rein gefahren waren. Keiner von uns hat irgendeine Müdigkeit verspürt und es war so toll zu fahren im nahezu autofreien Verkehr über glatte Schlagloch freie Straßen. Etwas anderes war uns noch aufgefallen, Heiner und Karl-Josef hatten die gelben Warnwesten angezogen, die mit dem Aufdruck 1,5m Abstandhalten zum Radfahrer, und genau solche Westen tragen hier in Russland die Polizisten. Nun, wir haben uns immer gewundert, dass die überholenden oder entgegenkommenden Autos immer so langsam und rücksichtsvoll an uns vorbei fuhren. Die Warnwesten haben nachts eine erstaunlich weite Leuchtkraft und so mancher russischer Raser (in Russland ist das Auto ein Statussymbol und was der Tacho hergibt, muss auch ausgenutzt werden) wird in der Nacht, als er an uns vorbei gefahren ist gedacht haben, jetzt fahren die Bullen nachts schon auf dem Fahrrad Streife! Interessant auch, als wir 2 mal angehalten haben, um zu verschnaufen, wie zahm die Autos an uns vorbeigekrochen sind, weil sie eine nächtliche Kontrolle vermuteten. Als wir die Einfahrt zur Kurischen Nehrung erreichen, sind wir etwas erstaunt, da auf der Einfahrtseite (rechts) eine Schranke die Zufahrt blockiert. Daneben ist ein Kassenhäuschen und wir wissen nicht, was es damit auf sich hat, da alles nur kyrillisch beschrieben ist. Heiner entscheidet für uns, wir fahren einfach weiter. Nachdem auch 2 Autos einer entgegenkommend und der andere in Fahrtrichtung einfach um die Schranke herum fahren, folgen wir der Heiner’schen Entscheidung und fahren einfach in die fast 100km lange Kurische Nehrung herein. Nach ca. 20km weiterem Radeln und etwa 4:00 Uhr morgens merken wir doch die aufkommende Müdigkeit und Karl-Josef und sein Navi verraten uns einen kleinen Pfad der auf die Seite zur Ostsee führt (die andere Seite ist ja das “Kurische Haff“). Über einen schmalen Pfad schieben wir unsere Räder und kommen an einer Düne an. Wir lehnen unsere Räder an Bäume und erklimmen die Düne. Heiner hat die glorreiche Idee, die Zeltunterlage vom großen Zelt als Liegefläche zu nutzen und wir legen uns so gut es geht nieder. Um es genauer zu erklären, da es am Vortag ja rel. warm war einfach ohne zusätzlich Zudeckung! Karl-Josef und mein Problem war dann allerdings, dass es uns doch mit der Zeit zu kalt wurde (Heiner schläft ja in allen Situationen problemlos). Nach einem kurzen Nickerchen stehe ich auf und entdecke am Strand ein Licht, wo in einiger Entfernung Jemand mit Stirnlampe am Wellenrand etwas absucht. Ok, ich lege mich wieder hin und versuche trotz der Kälte etwas zu schlafen. Irgendwann höre ich Karl-Josef jemanden freundlich grüßen. Der Mann schiebt ein rostiges Fahrrad mit sich. Was er am Strand gesucht hat, bleibt sein Geheimnis. Aber dass er ausgerechnet da, wo wir unser Nachtlager am Strand aufgeschlagen hatten vorbeikommen musste, war schon merkwürdig. Natürlich hatten wir etwas Sorge um unsere Fahrräder und das Gepäck, dass wir natürlich alles darauf gelassen hatten, aber es gab keine weiteren Schwierigkeiten. Gegen 5:00 Uhr setzt die Morgendämmerung ein und ich erkundete in einem ersten Antritt den Strand. Der Versuch, ein kleines Feuer zum Wärmen zu entzünden schlägt fehl, da alles durch den Morgentau viel zu nass ist. Daher kam dann später doch der Benzinkocher zum Einsatz, um Wasser für einen Kaffee zu kochen. Letztlich sitzen wir 3 dann auf unseren 3Beinhockern und genießen frischen Kaffee direkt am Strand mit dem Geräusch der Brandung als Untermalung. Als die Sonne unsere Glieder aufgewärmt hat, machen wir uns wieder auf unsere Räder und es geht weiter in Richtung Osten. Als wir nach etlichen Kilometer eine abzweigende Straße in Richtung Haff entdecken, wollen wir hier auch einen Blick drauf werfen. Das Haff ist so groß, dass man die Landseite teilweise nicht mehr sehen kann. Das Ufer ist mit hohem Schilf bewachsen. Es gibt einen kleinen Anlegesteg mit einem kleinen Motorboot. Auf einem Tisch stehen mehrere Körbe mit Fischen und 2 Frauen wiegen, vermessen und nehmen jeweils eine Schuppenprobe von den Fischen. Nun wurde uns klar, woher der Verwesungsgeruch kam, den wir immer wieder wahrgenommen haben. Auch an anderen Stellen, wo wir einen Blick auf das Haff werfen, liegen überall tote Fische am Ufer. Hier scheint eine ökologische Katastrophe vorzuliegen. Da wir heute Samstag haben, gibt es relativ wenig Verkehr auf der Straße und dann sind wir auch schon kurz nach Mittag an der russisch – litauischen Grenze. Ein netter russischer Grenzbeamter bringt seine deutschen Brocken an den Mann. Ein ganz entspannter und angenehmer Dialog. Bei der litauischen Grenzstation werden wir nur durchgewunken. Am frühen Nachmittag kommen wir nach Nida (Nidden) wo es einen Campingplatz gibt. Hier wird zunächst Geld gezogen und anschließend gehen wir essen. Trotz des Verwesungsgeruchs aus dem Kurischen Haff bestellt Heiner Fisch, was uns einige Kommentare entlockt. Ansonsten ist Nida sehr touristisch ausgerichtet. Auf dem Campingplatz überwiegen holländische Campingwagenfetischisten, aber hier treffen wir auch Radreisende an. Es gibt etwas Regen und in einiger Entfernung tobt ein Gewitter, was uns aber nicht abhält den verpassten Schlaf der vergangenen Nacht ausgiebig nachzuholen.









